„Schöpfung“, Wandfries zwischen den Raumgesimsen in ca. fünf Meter Höhe, Hauptraum⁄Obergeschoß
Acrylmalerei auf Hartfaserplatten, Gesamtlänge 28 m, Höhe 84 cm, Gloriette⁄Eisenstadt, 2004
Die Poesie eines Wandfrieses
Gedanken über den Hauptraum des Marientempels⁄Gloriette in Eisenstadt anlässlich der Renovierung des Gebäudes 2004 und der Neuerstellung des gemalten Wandfrieses.
Die Widmung
Das Gebäude hat verschiedene Bezeichnungen erfahren, die bei näherer Betrachtung Genaueres über das Gebäude an sich aussagen.
„Alm“: so nennt es liebevoll die Eisenstädter Bevölkerung. Sie bezeichnet die Nähe zu einem Berg oder Hügel bzw. zum seinem höchsten Punkt, in dessen Nähe man, abgehoben vom normalen Leben, dem Himmel (= den Göttern) nahe ist.
„Marientempel“: Die Bezeichnung geht auf den Namen der Gattin des Fürsten Nikolaus II Esterhazy, der das Gebäude bei der Errichtung gewidmet wurde, zurück. Das heißt, sie bezieht sich einerseits auf eine bestimmte historisch bedeutsame Person und gleichzeitig auf ihre Namenspatronin, die christliche Madonna.
„Gloriette“: Der Begriff deutet auf die Funktion als spannungsreiches Gegenstück zum Hauptgebäude des Eisenstädter Schlosses hin, und allgemein gesehen bedeutet es – „ein besonderer, ‚glorioser‘ oder sakraler Bau“.
„Dianatempel“: Die Darstellung von griechischen Göttinnnen der Antike, in diesem Fall der Diana, weist hin auf die Beziehung zur Jagd einerseits und andererseits zur Bedeutung der Frau in Zusammenhang damit. Hier zeigt sich die alte Verehrung der Frau als Beschützerin und Bewahrerin des Lebens und der Natur, genauer gesagt, des Gleichgewichts in der Natur, und darin enthalten ist die Verehrung der Frau als Jägerin, als Herrscherin über Leben und Tod. Das heißt, es handelt sich um ein Bild der Frau als jemand, der selbstverantwortlich und selbstversorgend lebt und aktiv in die Umwelt eingreift, wenn nötig mit Zerstörung. Aber immer mit dem übergeordneten Ziel der Erhaltung der Natur und ihrer Kreisläufe. Diana wird als junge, schöne Gestalt verehrt und strahlt dadurch noch andere Botschaften aus.
Die Verehrung dieser antiken Göttin und der christlichen Maria ergänzen einander in einem Frauenbild, das in vielen alten und tradierten Religionsbegriffen als eine Einheit in mehreren Gestalten definiert wird, entsprechend dem Ablauf eines dreiteiligen Frauenlebens, in 1. Die Jungfrau–Göttin (bezieht sich auf – Morgenröte, Muse, Anmut, Kunst, Liebe, etc.), 2. Die Mutter–Göttin (– Fruchtbarkeit, Ernte, Tradition, Schutz und Weitergabe des Lebens, etc.), 3. Die Groß–Mutter–Göttin (– Wissen, Weisheit, Reife, Macht über Leben und Tod, etc.). In der Verehrung der christlichen Maria und der antiken Diana in diesem Gebäude zeigt sich eine Verehrung der Frau als Ganzheit und als Einheit mit der Natur.
Der Hauptraum ⁄ Würfel, Achse, Horizont
Es gibt selten einen Raum mit solch starker Spannung und Ausstrahlung, und besonders die Einfachheit und die Poesie der eingesetzten Mittel stellen ein Faszinosum dar, dem man sich schwer entziehen kann. Beim Betreten des Raumes spürt man … „das ist ein Würfel“, beim näheren Betrachten des Schnittplanes fällt allerdings auf, das die Höhe gedrungener ist als die Seitenlängen, und das sich unterhalb des Deckenanschlusses an den Wänden zwei umlaufende Gesimse befinden, ähnlich in der Ausformung wie Gesimse im Außenbereich, in deren Zwischenbereich sich ein Wandstreifen befindet, der eine besondere künstlerische Bedeutung hat.
Die Lage des Gebäudes am Berg lässt keine zu große Überhöhung zu (Hanglage und Pathos stehen in sensiblem Zusammenhang), der Innenraum verlangt aber als zentraler, irgendwie sakraler Raum, nach einer besonderen Wirkung (nach einer senkrechten Achse oder aber, wie damals im beginnenden Klassizismus der Fall, nach einer „idealen Form“, sprich nach einer der Kugel am ähnlichsten ausgeprägten Gestalt, dem Würfel). Das heißt, er benötigt auch eine gewisse Höhe. Dazu kommt das Problem der menschlichen Wahrnehmung. Ein bestimmtes Maß wird, in die Höhe betrachtet, als perspektivisch verkürzt wahrgenommen, d.h., das Höhenmaß müsste überhöht gebaut werden, um die ursprüngliche Wirkung zu erzielen. Dieses Problem wurde mit einem poetischem Kunstgriff gelöst.
Man kennt die Auswirkungen von optischen Täuschungen. Das Auge wird bei Betrachtung von Streifen (Man denke z.B. an einen Zebrastreifen) in Richtung des Kontrastes gereizt, und die betroffene Fläche in der Richtung der Kontraste als länger empfunden wird als in der anderen Richtung. Diesen subjektiven Effekt hat sich der Architekt zunutze gemacht, indem er in diesem Raum durch Anbringung von zwei Wandgesimsen und einem bunten Farbband die Raumdimension gestreckt hat.
Durch die Anbringung der kräftig ausgebildeten Gesimse, vor allem durch den oberen Gesimseabschluss, der material– und dimensionverstärkend wirkt, wird der Raum – trotz perspektivisch empfundener Verkürzung – wieder als Würfel empfunden. Eine materielle Ausführung der Decke als raumbildendes Element ist eigentlich nicht mehr notwendig, d.h., der Raum könnte nach oben offen bleiben oder illusioniert werden (Lichtdecke).
Die Kraft, die von diesem Hauptraum ausgeht, liegt in starker Spannung zur Umgebung: ein aus der Natur herausgenommener, von ihr abgeschlossener (in ihr eingeschlossener) „Ideal–Würfel“ (mit Einbeziehung der menschlichen Dimension und Empfindung) steht in Blickbeziehung hinaus über die Säulenvorhalle zur Landschaft – in Richtung der symmetrischen Hauptachse des Gebäudes und der strahlenförmig dazu angeordneter Nebenachsen durch den Wald –, bis irgendwo zum Horizont, wo sich Himmel und Erde ineinander auflösen. Es entsteht eine „Richtung“. Der Hauptraum, der keine Fenster aufweist, sondern selbst nur Türöffnungen seitlich, hinten und in Richtung Hauptachse des Gebäudes hat, ähnelt einer Höhle mit Ausblick ins Freie. An den drei Seiten fällt indirekt Licht durch angebaute niedrigere Nebenräume ein, die mit Fenstern versehen sind. Der Innenraum verankert sich wie ein Kleeblatt nach allen drei Seiten. Damit stellt sich eine Art von Bedeutungs–Ausgleich zur Hauptachse her, und der Anspruch des Würfels nach vierseitiger Gleichwertigkeit wird beruhigt. Würfel und Achse, ein Gegensatz von Zentrierung und Richtung, werden in Spannung gestellt und austariert.
Eine weitere wichtige Spannung entsteht durch den Umgang mit dem Begriff „Größe“ und „Horizont“. Aufmerksam wurde ich beim probeweisen Aufstellen von Einzeltafeln in den Bereich des Wandfrieses, um die Farb– und Raum bildende Wirkung des Friesbildes zu studieren. Normalerweise denkt man, … „in fünf Meter Höhe sieht man eigentlich nicht jedes Detail und die Malerei müsste nicht so genau ausgearbeitet sein“. Genau das Gegenteil ist der Fall. Dieses Bild schafft einen Horizont, der als scharfer Bildstreifen, wie in unmittelbarer Höhe des Auges angebracht, empfunden wird. Jedes Detail erscheint ganz genau. Daraus kann man eigentlich nur folgern, dass die Raumgröße, die Raumform und die optischen Kunstgriffe den Raum „herunterholen“, in den körpernahen Empfindungsbereich, und ein Gefühl der Nähe evozieren; andererseits den Menschen in die Raumdimension „hinaufheben“. Das Wandbild bildet Raum und definiert zusätzlich die Raumwirkung, über den Inneraum hinaus.
Das Gebäude hat an seinen Außenseiten jeweils völlig verschiedene Niveaus, bedingt durch die Hanglage. Dieser Unsicherheit des „Bodens“ – auf dem wir stehen – gegenüber muss die Architektur in diesem Punkt klare Aussagen treffen. Es gibt es den Horizont des weiten Landes, andererseits den Horizont des Menschen in ca. 100 – 190 cm Höhe, der im Hauptraum steht und mit dem Horizont des oben umlaufenden Friesbildes in fünf Meter Höhe eins wird (was das Gefühl vermittelt, ca. sieben Meter groß zu sein), und es gibt das Gefühl – den Blick in die Symmetrieachse nach SO geschwenkt – gleichzeitig über die Ebene zu schweben (sie zu beherrschen). Kalkül und menschliche Empfindung, „eins“ zu werden mit der Landschaft, gleichzeitig eingebettet und ausgeliefert zu sein, ist hier in großartige Harmonie gestellt.
Ein Wandfries für die Gloriette in Eisenstadt ⁄ Fertigstellung Januar 2004
Höhe 84 cm, Länge abgewickelt ca. 28 m ⁄ Acrylmalerei auf Hartfaserplatten, Montage mit Spezialband auf Metallschienen.
Die ursprüngliche Fassung des Frieses (vollständig zerstört und nicht dokumentiert) stellte, soviel weiß man, Jagdszenen in damalig üblicher Malweise (auf Platten) dar. Die Auseinandersetzung Mensch–Tier war für Menschen seit Urzeiten ein zentrales Sujet in Kunst, Kult und Religion. Kunst und Religion waren die längste Zeit nicht voneinander getrennt. Eine neue Interpretation dieses Sujets kann sich natürlich nicht mehr auf die damalige übliche Jagd als Lebensinhalt oder Zeitvertreib der fürstlichen Gesellschaft beschränken, da uns die Situation Mensch–Tier–Natur in etwas anderer Spannung betrifft. Wenn man den Begriff „Tier“ nach heutigem Stand der Naturwissenschaften betrachtet, so muss man auch Kleinstlebewesen wie Bakterien etc. miteinbeziehen. Der Kampf des Menschen gegen die feindliche Natur findet heute zwar wie in Urzeiten als Jagd in Wald und Wiese statt, aber sie geschieht auch in Hochsicherheitslabors, wo Wissenschaftler mit gefährlichen Kleinlebewesen etc. arbeiten. Es gibt vielleicht keinen wirklich leeren Raum, der uns umgibt, auch unsere Atemluft ist erfüllt mit Lebewesen. Ein geheimnisvolles Gleichgewicht an Fülle oder an „Ausfüllen“ beschäftigt Wissenschaft, Philosophie und andere Disziplinen, wie hier z.B. die Kunst. Der Umgang von Mensch mit Tier und Natur ist nicht weniger brutal, aber auch bewusster und vielschichtiger geworden als zur Zeit der Errichtung der Gloriette. Die Widmung als „Dianatempel“ (Relief an der Fassade) hat mich hier auch beeinflusst, über die Rolle der Frau in der Religion der Antike und unserer christlichen Tradition nachzudenken, in Zusammenhang mit der aggressiven Handlung, die der Begriff „Jagd“ darstellt. Zerstörung und Neuentstehung sind „Gezeiten“ der Natur, wie der ewige Ablauf der vier Jahreszeiten, denen wir unterworfen sind.
Der nahezu 28 Meter lange Ablauf des Wandfrieses bildet eine Abfolge von einzelnen Bildern oder „Zuständen“, die ineinander übergehen und eine Art „Film“ mit „Innehalten bei Einzelbildern“ erzeugen. Das ist eine Versuch, den menschlichen Sehgewohnheiten näher zu kommen. Jede einzelne Sequenz zeigt Mensch und Tier in unterschiedlichen Situationen, und existiert nur in Abfolge mit „Vorher und Nachher“. In Summe entsteht ein Band, das gleichzeitig Bild–Fluss und statisches Einzelbild ist.
Fülle und Dichte sind, wie oben bereits angedeutet, für mich eine Realität des Daseins, die ich bejahe und die meiner Meinung nach über Werten wie „Reduktion“, „Konstruktion“ etc. stehen. Die Gleichmäßigkeit der Darstellungs–Dichte war eine Herausforderung, die mir grundlegend erschien, um ein Gefühl des Gleichgewichts zu erzeugen. Dass die Andeutung von Klimabildern auf die vier Jahreszeiten als die vier Wandseiten des Frieses hinweist, geschah während der Arbeit und sollte nicht im Vordergrund stehen. Wir leben in einer Zeit massiver Veränderungen in der Natur und wir können nur Vermutungen betreff Klimawandel etc. anstellen. Religion und Wissenschaft ist hierzu in einer Art Konsens gefordert. Das es Gleichgewichte geben wird, denen wir auch in Zukunft unterworfen sein werden, ist klar. Das wir Vertrauen und Verantwortung empfinden sollten, ist ebenso klar.
Die naturalistische Darstellung des Einzelnen steht für mich nicht in Gegensatz zu abstrakten Zeichen, dadurch stellt sich auch für mich nicht die Frage nach einem bestimmten Malstil („naturalistisch „oder „abstrakt“ o.ä.). Zeichen, Strukturen, genauer ausgearbeitete Darstellungen von Mensch⁄Tier⁄Pflanze etc., sind Metaphern unserer erlebten Welt. Als Künstler folgt man der momentanen Eingebung, und versucht die Welt der belebten mit der Welt der sogenannten unbelebten in Beziehung zu setzen, der Intuition folgend. Während der Arbeit entstand so etwas wie ein Zustand der Meditation oder wie immer man das bezeichnen will. In jedem Fall sollte dieser Fries aus meiner Lebenseinstellung heraus die Freude am Leben allgemein und an der Auseinandersetzung mit der Natur aufzeigen.